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Auch treffe ich Manni wieder- er will gerade aufbrechen. Wir tauschen uns kurz über unsere Tagesziele aus und stellen fest, dass diese identisch sind. Die einzig logische Einteilung, findet er; das finde ich auch. Was die Veranstalter sich bei der Auswahl der Kontrollstellen mit Schlafgelegenheit, Dusche und Taschentransport gedacht haben, weiß ich nicht. Mir war aber gleich nach Veröffentlichung der Infos über die Kontrollstellen klar, dass ich mich nicht davon beirren lassen wollte, meine Pläne umzuschmeißen. Zur Not wäre ich eben auf mich allein gestellt. Passignano war der nächste Kontrollort, 80 km mit 2 Anstiegen, trennten mich also noch von meiner ersten Tasche, also der Aussicht auf eine Dusche und frische Klamotten. Einige weitere, köstlich schmeckende, Café dopio con latte und Rüdiger und ich rollten frisch und guten Mutes von der Tanke. 10 km bergauf und dann gabs eine richtig lange Abfahrt. 35 km relativ flach und dann der lange Anstieg, der uns noch vom Lago Trasimeno trennte. Oben auf der Passhöhe, ca. 600 m ü NN, bot sich uns ein atemberaubender Anblick weit über den See und darüber hinaus. Ein Gasthaus mit Terasse kam da genau richtig. Hier muß man einfach anhalten und verweilen; den Ausblick genießen. Hinunter zum See gings in rasender Abfahrt. Passignano ist ein richtiger Urlaubsort. Man muß sich richtig durch Verkehr quälen. Dann die Turnhalle mit unserer Tasche. Duschen, kalt duschen. Richtig frisch bin ich jetzt- auch mit frischen Klamotten, Das fühlt sich doch gleich ganz anders an. Im Gepäck habe ich auch zwei Flaschen Energiedrink. Die eine leere ich in einem Zug. Ich mag das ja überhaupt nicht aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es bei mir wirkt- zumindest für ein paar Stunden. Von der anderen Flasche biete ich Rüdiger an; er wirkt zum ersten Mal etwas müde. Ich fühle mich jetzt voller Energie und dränge auch etwas zum weiterfahren. Gleichzeitig versucht ein Italiener lautstark eine Gruppe zu formieren und ich denke, warum nicht: die 65 bis Todi sind relativ flach, nur am Ende wartet ein Anstieg zum Kontrollort, und vielleicht können wir vom Fahren in der Gruppe profitieren. Die Gruppe läuft überhaupt nicht. Ich merke gleich, dass wir besser alleine fahren können, andere denken wohl auch so. Nur der laute Italiener redet und redet und geht mir richtig auf den Nerv. Jetzt weiß ich auch warum er die Gruppe gesucht hat. Am Ende des Sees gehts auch erstmal wieder länger bergauf- doch nicht so flach die Etappe, wie ich gedacht hatte, und der Italiener fällt zurück. Er ruft noch „the girl, the girl“ und tut so als ob er wartet. Zwei Tage später, irgendwo an einem Anstieg, meine Flaschen sind fast leer und sollten gefüllt werden, höre ich ein Rufen: „Aqua, Water“. Ich erkenne die Stimme sofort, fahre schnell vorbei und gebe Zeichen, dass meine Flaschen noch voll wären. Ich glaube es war in Marciano, als wir beschließen eine Pause einzulegen. Wir sehen ein kleines Selbstbedienungs- Restaurant. Sieht so aus als ob hier überwiegend Arbeiter ihre Mittagspause verbringen. Ich stelle mir einen großen Salat und Vorspeisenteller zusammen, eine große Flasche Mineralwasser und eine Cola. Sehr lecker dieses Essen- hab ich in bester Erinnerung behalten. Ich bin immer noch voller Energie und merke kaum, als Rüdiger mitten im Satz die Augen zu fallen. Ich biete ihm den Rest meines Energiedrinks an, hoffe, dass dieser bei ihm genauso wirkt wie bei mir, dränge abermals ein wenig zum Aufbruch. Die Kontrollzeit an meinem Etappenzielort Pitigliano rückt mir jetzt immer mehr ins Bewußtsein. Noch ca. 200 km sind es bis dort und die sind gespickt mit ständigem Auf und Ab. Ich wußte, dass diese Etappe mit ihren 320 km und ca. 2800 Hm die Härteste des Rennens werden würde. Bis jetzt lief alles, gut auch wenn wir etwas hinter meiner Planzeit lagen. Eine längere Pause oder gar schlafen würden wir uns aber nicht leisten können. Kontrollschluß in Pitigliano war 5:45 Uhr am Mittwoch morgen- ich wollte um 1:00 Uhr dort sein, um wenigstens 4 h zu schlafen. Der Anstieg nach Todi war steil aber nicht endlos. Ich wollte gleich weiter. Eine kurze Schußfahrt und gleich wieder in den Gegenanstieg. und was für einer!! Mit deutlich über 10% Steigung ging es stumpf geradeaus den Berg hinauf. Meine 39/30 reichte gerade- lieber hätte ich 30/39 gehabt. Am Ende dieser Steigung gab es ein kurzes Verschnaufen damit wir danach noch mal so steil und lang bergauf fahren konnten. Irgendwann mitten in der Steigung mußte Rüdiger absteigen um sich hinzulegen. Die Müdigkeit hatte ihn übermannt. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch fit war, trennten sich hier leider unsere Wege. Doch diese Fitness hielt auch nicht mehr ganz lange an. Ein Italiener, den ich traf, freute sich schon auf einen Schlafplatz in Corchiano. Ich erzählte ihm von der Schließungszeit in Pitigliano und dass er nicht lange würde schlafen können. Seine Enttäuschung muß wohl erstmal groß gewesen sein, doch insgesamt war er froh, dass ich ihn darüber aufgeklärt hatte und bedankte sich mehrmals bei mir dafür. Er hätte sonst sicher unwissentlich die Schließungszeit verschlafen. Auch als ich ihn zwei Tage später wieder treffe, bedankt er sich noch einmal. Gut, dass wir darüber geredet haben. Ich denke so wie so an nichts anderes mehr, als dass ich um 1:00 Uhr in Pitigliano sein will, denn ich brauche Schlaf: sonst würde ich den nächsten Tag nicht überstehen. Vor Corchiano gibt es ein längeres Flachstück. Ich kaufe in einem Geschäft Cola und andere Getränke und zum ersten Mal eine kleine Salami. Dies ist jetzt der beste Energieriegel nach all dem süßen Zeug. Als ich in Corchiano an der Kontrolle bin wird es dunkel. Ich esse Honigmelone mit Schinken, mache mich aber bald wieder auf den Weg. Ich traue dem Weg aber nicht recht. War ich richtig aus der Kontrollstelle herausgefahren?- fahre ich wieder zurück?- nein, dass kann ja nicht sein- dann müßte es ja bergab gehen. Ein Blick auf den Kompass zeigt, dass ich nach Norden fahre- das kann ja nicht ganz verkehrt sein. Als ich mal kurz am Straßenrand anhalte, hält auch ein Wohnmobil, das Begleitfahrzeug zweier Slovenen. Sie erkundigen sich, ob alles in Ordnung sei und ich bin jetzt sicher noch auf der Strecke zu sein. Mit den Slovenen und ihrem Begleitfahrzeug teile ich mir die Nacht. Der Anstieg nach Canepina scheint endlos und ist hammerhart. Als ich zur Passhöhe komme, steht das Wohnmobil schon da und dieses Mal halte ich auch an und rede ein wenig mit den Fahrern. Sie bieten mir Cola aus einer Riesenflasche an. Dann fahre ich auch stundenlang alleine durch die Vollmondnacht, die ich trotz aller Anstrengung noch genießen kann. Teilweise ist nur das Grillen der Zirkaden zu hören- manchmal sogar so laut und nah, dass ich denke einen Defekt am Rad zu haben. Manchmal scheint mich eine Grille ein Stück zu begleiten. Die Ortschaften, die ich durchfahre, scheinen wunderschön zu sein und sind auch sehr belebt in dieser Nacht. Manchmal fahre ich auch ein Stück mit den Slovenen zusammen, doch unser Rhythmus ist nicht der gleiche. Irgendwann werde ich sehr müde und ich denke ich müßte eine ½ h Schlafpause einlegen. Auf einer Brücke, an eine Leitplanke gelehnt, finde ich keinen Schlaf wegen vorbei fahrender Autos. Später an einer Bushaltestelle kommen laufend laute Jugendliche vorbei und ich habe Angst mein Rad könnte geklaut werden. Als die beiden Slowenen wieder mal vorbei fahren, schwinge ich mich schnell aufs Rad und fahre hinterher. Irgendwann bin ich wieder alleine. Ich weiß, dass ich rechtzeitig in Pitigliano vor Kontrollschluss sein werde- ich weiß aber auch, dass ich nicht viel Schlaf bekommen würde. Um 3:15 komme ich nach dieser schweren Etappe ins Ziel. Ein mittelalterlicher Ort- schön- aber wo kann ich schlafen? Dem Kontrolleur mit seinem Stempel muß man fast die Hand führen- so verschlafen ist er. Der Kontrollposten ist ein ca. 6 qm großer Raum- Fußboden schon belegt. ( Einer der Schlafenden muß wohl Manni sein ) Hinter der Tür finde ich noch einen kleinen Spalt, wo sich meine Matte selbst aufblasen kann. Bevor ich mich hinlege, treffe ich noch Jens und Bernd im Kommen oder Gehen; ich glaube das wissen die beiden selbst nicht so genau. Später berichtet Jens, sie hätten in einem Hauseingang gelegen!? 2 ¼ h schlafe ich tief und fest hinter der Tür auf meiner Matte den Schlafsack über den Kopf gezogen.
Zuletzt geändert von Administrator (admin) am 13 Oct 2012 um 17:09:18
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