rtf-radmarathon.de
Tourname: Brevet 300 km Maastricht           
Verein: ARA-Maastricht
VerfasserIn: Manfred Kiesel
Datum: 22. April 2007
Startort: Maastricht
Tourlänge: 300 km
Höhenmeter in M:  

 

Und wieder fahre ich per Fahrrad die mir nun schon vertrauten viereinhalb Kilometer von Maastricht-Heer zum Eetcafe De Preuverij. Es ist kurz nach fünf und noch dunkel, daher bin ich in vollem Wichs: Rücklicht, Scheinwerfer, Stirnlampe und Leuchtschärpe. So werde ich als erster von 15 Randonneuren von Ivo begrüsst. Empfang der Startunterlagen, Frühstück ... dann mein Versuch, inkognito auf den Lokus des Cafes zu gehen. Es misslingt schon im Ansatz.

Da stehe ich vor der geschlossenen Kabinentür und warte, und es kommt ein niederländischer Randonneur herein. Er fragt mich nach meinem Namen, ich sage ihm den Vornahmen, er ergänzt: "Manfred KIESEL?" Ich bin baff. Die Auflösung: ivo hat ihm von mir erzählt, da ich den Streckenplan korrekturgelesen hatte. Leider habe ich nur prüfen können, ob die Differenz zwischen zwei Streckenpunkten jeweils zu den angegebenen Summen passt. Inhaltliche Fehler, etwa das Fehlen von Abbiegepunkten, konnte ich nicht überprüfen. Davon wird noch die Rede sein. 

Wie immer schickt Ivo das kleine Feld mit ein paar warmen Worten auf die Reise. Er empfiehlt, bis Lüttich (km 30) als Gruppe zusammenzubleiben, un die Ortsdurchfahrt zusammen besser zu finden. Es kommt aber anders. Der überwiegende Teil der Fahrer fährt Jean-Pierre hinterher, der zuvor von Ivo zum "Hinterrad des Tages" erklärt worden war. Er hat Ivo beim Streckenplan geholfen und kennt sich vor allem im belgischen Teil des Kurses aus.

Nach knapp fünf Kilometer heisst es auf dem Plan: "Nicht auf die Brückenauffahrt fahren". Jean-Pierre fährt trotzdem hinauf, und wir wie die Schafe hinterher. Auf der anderen Seite führt der Weg am Kanal entlang, der in der Morgenkühle dampft, und dann in das Land hinein. Die ersten Fahrer schauen zweifelnd auf ihre Streckenpläne und bleiben stehen. Dann drehen auch die Vorderleute um, und es heisst: "Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück!" 

Nach fünf Bonusmeilen sind wir auf der richtigen Seite des Kanals. Von hier ab verlasse ich mich lieber auf den Plan als auf Mitfahrer, die sich "auskennen", und lasse die Gruppe wegfahren. Bei km 15 der nächste Aufenthalt: ein Fahrer wechselt eben seinen Schlauch. Ein Liegeradfahrer ist dabei, mein Bekannter vom Eetcafe her, sein Name ist Jan. Zusammen ist der Defekt schnell behoben, wir fahren zu dritt weiter. Nun sind wir genau auf Schnitt für die Maximalzeit, eher sogar etwas darunter. 

Nach vier Kilometern weist uns die Beschreibung nach rechts. Jan verlässt uns und fährt geradeaus. Wir zwei Übriggebliebenen fahren anhand der Beschreibung bis nach Jupille, wo eine Umleitung uns Stoff zum Nachdenken gibt. Wir fahren ohne Probleme durch die Baustelle und sollen nun an der berühmten Jupiler Brauerei entlang fahren. Es gibt wohl Gebäude, die zu einer Brauerei gehören könnten, den entscheidenden Schriftzug sehen wir nicht, die Straßennamen stimmen jedoch. Die Lütticher Ortsdurchfahrt ist weitgehend problemlos, wir überqueren die Ourthe, die uns noch eine Weile begleiten wird, und holen uns in Angleur in einer offenen Bäckerei den ersten Stempel. 

Der nächste Ort, den wir erreichen, ist Tilff. Mein Begleiter weist auf den Parkplatz, Startort der bekannten RTF Tilff-Bastogne-Tilff. Die Straße ist abschnittsweise sehr schlecht, dann wieder gut. An jedem Übergang geht die Geschwindigkeit um mehrere km/h nach oben oder unten. Hier gilt es auch einige Höhenmeter zu gewinnen, die wir aber bis Esneux wieder verlieren. Bis hierher hat mein Begleiter immer wieder vor Kälte gezittert, ich denke, später ist ihm bestimmt warm ums Herz geworden. Ich beginne schon hier unter meinen Sachen zu schwitzen und beschliesse, die Jacke auszuziehen.

Die Windweste, die ich darunter trage, tut es auch. Bei spätem Gelb schiesse ich aus der Abfahrt heraus über eine Ampel auf die Ourthebrücke und rolle aus, um die Operation durchzuführen. Mein Begleiter war auf der Abfahrt einige Meter zurück und ich wähne ihn an der roten Ampel, aber in diesem Moment rollt er an mir vorbei. Da ich noch nicht fertig umgezogen bin, lasse ich ihn weiterfahren. Ob das eine gute Entscheidung war, bleibt offen. 

Allein, ohne einen Begleiter, mit dem ich strittige Abzweige besprechen könnte, folge ich dem leicht welligen Parcours über Chanxhe und Rivage, überquere die Ambleve und bin in Comblain au Port wieder an der Ourthe. Acht Kilometer weiter rolle ich durch Hamoir und folge dem Schild nach Durbuy. Nach sechseinhalb Kilometer soll der nächste Ort kommen, Tohogne. Es gibt noch einen Abzweig nach links, aber auf meiner Wegbeschreibung steht nichts davon, daß ich hier abbiegen sollte. 

Ich fahre nun ein wunderschönes Tal aufwärts, es wird jetzt immer wärmer, die Landschaft ist lieblich, so lässt es sich leben. Der Parcours ist flüssig zu fahren, wenn die Abbiegepunkte weit auseinanderliegen. Ich denke noch, man kann sich aber auch ganz flüssig ein gutes Stück verfahren, wenn man erst nach etlichen Kilometern feststellt, daß der Abbiegepunkt nicht hier, sondern wohl ganz woanders ist. Die Uhr sagt mir, daß ich mir einen weiteren Verfahrer locker leisten könnte. Was wäre wohl, wenn ich durch dieses schöne Tal wieder zurückfahren müsste?

Eine Radgruppe kommt mir entgegen, aber sie rollen so schnell, daß ich sie nicht befragen kann. So langsam sind die angegebenen Kilometer erreicht, aber nichts deutet darauf hin, daß ein bewohnter Ort sich nähert. Nun bin ich einen Kilometer darüber, ein paar Häuser stehen an der Straße, es ist nicht Tohogne. Ein Anwohner erklärt mir in herbem Wallonisch, ich könne geradeaus fahren, dann sei Tohogne nach links ausgeschildert. Zurück sei es wesentlich weiter. Ich folge seinem Tip und fahre immer aufwärts, bis ich eine grandiose Ardennenlandschaft überschauen kann. Schliesslich erreiche ich nach einer Abfahrt den langgesuchten Ort, erkenne die Kreuzung, wo ich von links hätte herkommen müssen, und bin wieder auf der Strecke. Elf Bonusmeilen habe ich aufgesammelt, zurück wären es 15 gewesen. 

Nach strenger Randonneursregel hätte ich doch zurückfahren müssen. Der auf dem Streckenplan ignorierte Abzweig in Hamoir hätte es wohl sein müssen. Mich beunruhigt der Gedanke, daß vielleicht genau im Anstieg von Hamoir nach Tohonque die Geheimkontrolle eingerichtet ist, um Abkürzer dranzukriegen, die flach an der Ourthe entlang nach Hotton fahren. Es geht abwärts nach Barvaux, und nun muß ich mich der Windweste entledigen. Noch bin ich nicht wieder richtig in Fahrt, da hallot es fröhlich von hinten, und Jan mit seinem Lieger braust mit Schwung an mir vorbei. Sein Schwung ist aber bald alle, es geht noch einmal aufwärts, und nun ist er im Nachteil. Sein Liegerad ist schwerer, und er kann weder Wiegetritt fahren noch am Lenker ziehen. Auf der Abfahrt schliesst er wieder auf, und gemeinsam erreichen wir Hotton, wo wir uns noch durch eine Baustelle quälen, und wir sind in der Brasserie Le Jacquemart. 

Jan zerstreut meine Bedenken hinsichtlich der geheimen Kontrolle: von hier nach Rochefort, zur nächsten Kontrolle, sei die Strecke eine große Schleife. Die Kontrolle sei bestimmt auf dieser Schleife, um den geraden Weg nach Rochefort auszuschliessen. Er war vor Lüttich, nachdem er uns verlassen hatte, der Umleitung gefolgt und hatte dann bei Chanxhe Probleme, den richtigen Radweg zu identifizieren. Seine erste Wahl hatte ihn in eine Sackgasse geführt. Nun geht es schon auf Mittag zu, und es kann nur noch ein Motto geben: den Tag geniessen. Wir tun das, indem wir an der Kontrolle ausgiebig einkehren und uns stärken. Bei der Abfahrt, eine halbe Stunde später, bin ich 12 Minuten vor dem gedachten Schlußwagen. Jan ist noch nicht soweit und heisst mich vorfahren. 

Der weitere Weg führt mich 16 km weit immer flach an der Ourthe entlang, mit der ich nun gut bekannt bin, bei etwas Gegenwind. In La Roche führt mich die Beschreibung in die Irre. Geradeaus nach Hoffalize? Der Ort ist nach links angeschlagen. Ich entscheide mich für geradeaus, und das ist logischerweise falsch. Also zurück und in die andere Richtung, aber hier passt die Beschreibung auch nicht. Ich muss einen Kellner in einem Straßencafe fragen, er hilft mir die Richtung nach Bastogne zu finden, und nach einer kleinen Odyssee gegen die Einbahnstraße bin ich wieder auf der Route. Sie führt nun richtig bergauf. 

Um es vorweg zunehmen, auf dem kommenden 68 Kilometern nach Rochefort würde es nicht einen Meter ebene Straße geben. Nach der Auffahrt bin ich für kurze Zeit auf einer welligen, offenen Fläche, wo mir der Wind entgegenbläst, und wieder ab und auf. Noch in der Steigung sehe ich rechterhand ein Auto mit offener Heckklappe. Hier steht Yvana zur geheimen Kontrolle. Jan, der mich während meiner Sucherei in La Roche passiert hat, ist noch da. Wir sind hier die Letzten. Yvana hat eine Flasche bereit mit irgendeiner gefärbten Labsal. Da ich keinen Platz habe, um sie mitzunehmen, trinke ich - auf einen Zug. Ich hätte eigentlich bisher schon mehr trinken müssen. Ivana hat noch Trockenfrüchte, Mandarinen und für jeden von uns eine Tablette mit Vitamin B - zur Stärkung der Konzentration. Das ist bestimmt nicht verkehrt, denke ich. 

Noch ein-, zweimal wiederholt sich das Spiel zwischen Jan und mir: bergauf passiere ich ihn, bergab er mich. Dann habe ich ihn fürs erste hinter mir gelassen, das Gelände ist für sein Fahrzeug, sagen wir mal, nicht ideal. Ardennen wohin man schaut. Die Sonne gibt alles, was sie hat, und ich fahre bergauf, bergab, bergauf, bergab. Givroulle ist der nächste Ort, dann geht es auf kleinster Straße und mit kleinstem Gang bergab, hinab nach Wyompont, links an hinauf nach Bergueme. Ortheuville und Laneuville heissen die nächsten kleinen Dörfer, durch die ich kommen. Es geht für einige Kilometer durch ein Naturschutzgebiet. Absperrungen und Wildgitter zu Beginn und am Ende der Strecke sorgen dafür, daß Autos und Wildtiere einander nicht in die Quere kommen. Mehr als auf Wildtiere muß ich auf Spaziergänger achten, die sicher auch der Grund dafür sind, daß Wildtiere sich nicht blicken lassen.

Es geht darauf nach Nassogne, eine lange herrliche Abfahrt belohnt mich für die Mühen, aber in Forrieres muß ich noch einmal ein Stück klettern. Von Wavreille sind es nur noch sechs Kilometer bis nach Rochefort, wohin eine Abfahrt führt. An der Kontrolle, einer Tankstelle, fotografiert mich Ivo und muß mich zurückrufen, weil meine Augen auf das Schild nach Namur konzentriert sind. Meine Flaschen sind leer, und meine Beine sind gut beansprucht von der zurückliegenden schweren Etappe bei sehr warmen Temperaturen. Der Rest von mir ist auch nicht mehr frisch. Hier sitze ich erstmal eine Weile im Schatten und stärke mich mit Cola und Schokolade. 172 km, sagt der Plan, sind es bis hierher. 195 sagt meine Uhr inklusive Anfahrt und Bonus-km. 

Als ich mit vollen Flaschen abfahren will, kommt Jan an. Ich begrüße ihn noch und mache mich dann auf. Es geht über eine Route Nationale, die wie eine Achterbahn angelegt ist: in langen Wellen auf und ab. In Haversin verlasse ich die Hauptstrecke und fahre auf kleinen ländlichen Straßen weiter. Ich habe jetzt leicht Rückenluft, das Profil ist noch ganz leicht wellig. Kurz vor Barvaux-Condroz überholen mich Yvana und Ivo mit dem Wagen. Ivo fotografiert mich.

War es die Pause, oder die Verpflegung, oder ist es der Rückenwind? Oder die Distanz? Ab km 200 schaltet etwas in mir um, der gemarterte Körper schüttet nun Endorphin aus. Ich kann die Droge in mir spüren, fahre nun locker und gelöst, alles in mir ist im Einklang miteinander. Ich verspüre den Wunsch, so richtig draufzutreten, aber es sind noch hundert Kilometer zu fahren, ich zügle mich. Es geht durch einige kleine Orte nach Havelange, dort noch einmal gut aufwärts durch die Stadt, wo eine Möglichkeit besteht, sich zu verpflegen. Ich habe aber keinen Bedarf. Die Beine fliegen, es geht immer leicht abwärts, nach Modave und dann ein Tal entlang, und huy, hastenichtgesehen, rolle ich schon nach Huy. Für die 52 km habe ich kaum mehr als anderthalb Stunden gebraucht. 

Freie Kontrolle, steht auf dem Plan. Eine Tankstelle wäre nicht schlecht, da könnte ich gleich meine Flaschen auffüllen, obwohl ich erst eine leergetrunken habe seit Rochefort. Die Sonne ist im Sinkflug, es ist kühler geworden und der Flüssigkeitsverbrauch geht zurück. Meine Augen finden allerdings nichts Passendes. Schliesslich lasse ich an einem Rondell in einem Cafe stempeln. Offenbar waren andere Teilnehmer auch hier, der Wirt ist schon mit dem Vorgang vertraut. Was das Wasser angeht, wird sich schon etwas Geeignetes Finden. 

Zwischen diesem Rondell und der Pont Roi Bauduin ist dichter Stau, durch den ich mich kämpfen muß. Es ist bereits die Maas, über die diese Brücke führt. Auf der anderen Maasseite ist viel gewerbliche Bebauung an einer breiten Straße, aber eine Tanke sehe ich nicht. Wo tanken die Leute von Huy eigentlich? Nach drei Kilometern geht es links Richtung Waremme. Es sieht aus wie eine Schnellstraßen-Auffahrt, und ich zweifle, ob ich richtig bin, aber es muß so sein.

Die N684 ist hier zweispurig, aber für Radfahrer offensichtlich nicht verboten. Die Autos zischen an mir vorbei. Streckenweise gibt es einen Randstreifen, der voller spitzer Steine und anderer Dinge ist, was eben die Reifen der Autos so alles beiseite befördern, dann gibt es wieder keinen Randstreifen. Es geht an einer Ausfahrt vorbei, die logischerweise auch eine Einfahrt hat. Für kurze Zeit befinde ich mich zwischen den Fahrspuren. Ich fühle mich hier bestimmt nicht wohl, und das liegt nicht daran, daß die Straße nun wieder leicht auf und ab wellt. 

Nach vier Kilometern hat der Spuk endlich ein Ende, ich bin wieder auf verkehrsarmen Straßen und passiere kleine Orte wie Bodegnee, Verlaine und Haneffe. Ich fahre wie angegeben links und gleich wieder rechts, Richtung Oreye, die große Straße, die ich überqueren soll, kann ich allerdings nirgendwo entdecken. Bei Sonnenuntergang bin ich in Oreye und fahre geradeaus Richtung Polizei. Lange vor der angegebenen Distanz stehe ich an dem T, wo ich links abbiegen soll. Oder ist das die Hauptstraße, die zu überqueren ist? Auf der anderen Seite ist aber nur ein Feldweg zu sehen. Also fahre ich links. Es soll wieder nach links gehen, aber der nächste Ort, Horpmaal, ist nach rechts angeschlagen. Ich bin mal wieder vom rechten Weg abgekommen und fahre kurzentschlossen nach Horpmaal. Die drei Kilometer sind durchgehend Pave und schütteln mich gehörig durch. 

In Horpmaal an der Kirche soll ich direkt rechts abbiegen. Aber aus welcher Richtung hätte ich kommen sollen? Sicher ganz woanders her. O Wunder, ich sehe eine Anwohnerin, die ich fragen kann. Leider kennt sie sich auch nicht gut aus, und Straßennamen stehen erst zwei Zeilen tiefer wieder auf dem Plan. So fahre ich - wieder mal - in eine falsche Richtung, bemerke meinen Irrtum und drehe um, in die Richtung, in der die Sonne soeben untergegangen ist.

Ein langes Stück fahre ich geradeaus auf einem Wirtschaftsweg. Und wieder ein Wunder, zwei ältere Damen gehen hier im Abendlicht spazieren. Der hiesige flämische Dialekt hört sich, nachdem ich viele Stunden im wallonischen Sprachraum verbracht habe, rechtschaffen derbe an, aber ich höre erfreut, daß ich hier nur weiterzufahren brauche und an der Hauptstraße rechts ab, dann stimmt die Richtung. 

Gehört, getan, nach einem Stück auf der Hauptstraße sehe ich ein Schild: Horpmaal 2 km, da hätte ich herkommen sollen, und ein aderes nach links: Borgloon 4 km, da muß ich hin. Es dunkelt nun rapide, ich muß mich nachtfertig machen. Außerdem kühlt die Luft von Minute zu Minute nun richtig ab. Also Armlinge und Windweste an, Leuchtschärpe umgelegt, alle Lichter an, so geht es auf die letzten vier Kilometer nach Borgloon. Es wellt hier wieder richtig auf und ab. An der Kirche in Borgloon finde ich das Cafe Trapistenhuis, wo ich mich einen Augenblick hinsetzen und nun auch die Hose anziehen kann. Hier lasse ich auch endlich eine Flasche mit Wasser auffüllen, seit Huy hatte es dazu keine Gelegenheit gegeben. Außer dem obligatorischen Stempel brauche ich nichts. 

Inzwischen ist es komplett dunkel geworden. Dennoch gibt es keine weiteren Probleme mit der Wegfindung mehr. Allerdings muß ich an fast jedem Wegpunkt anhalten, um mit Hilfe der Stirnlampe die Stelle korrekt zu identifizieren. Daß die angegebenen Distanzen mitunter klar von der Realität abweichen, erschwert die Aufgabe noch ein wenig, kann mich aber nicht mehr aufhalten. Hilfreich, ja genial ist das System in den Niederlanden, die Radwege zu numerieren. Es gibt auch weiterhin Anstiege und Abfahrten, die ich in der nächtlichen Dunkelheit vorsichtig passieren muß. Die Strecke führt durch Schloß Alden-Biesen auf unangenehmem Kopfsteinpflaster. An einer Stelle im Innenhof passiere ich ein Cafe, der Kellner räumt gerade die letzten Stühle ein. Hier ist die Party schon vorbei. 

Vroenhoven, nun sind es noch vier Kilometer bis ins Ziel. Am Ortsausgang beginnt unvermittelt rechts ein Radweg. So schnell kann ich da garnicht drauffahren, schon nach wenigen Metern ist er durch Drempels von der Straße abgetrennt. Nun kann ich nicht hinüberwechseln und muß erstmal auf der Straße bleiben. Natürlich überholt mich jetzt ein Autofahrer und hupt mich an. Erst ein ganzes Stück weiter bietet sich eine Möglichkeit, auf den Radweg zu wechseln. Die Niederlande sind ein sympathisches Land, das ich von alters her mag und dessen Sprache ich spreche, aber einige Eigenheiten gefallen mir dennoch nicht. Es ist bemerkenswert, daß ein solches Land Radsportler von Rang hervorbringt. Wo können die hier trainieren? Auf Radwegen? 

Tongerseplein, hier bin ich wieder bekannt, es sind noch wenige Meter zum Ziel. Ivo empfängt mich, es ist 23 Uhr geworden, in der Dunkelheit ist es ein langsames Fahren. Jan ist noch nicht hier. Ich erfahre später, daß er in Oreye abgebrochen hat und direkt nach Maastricht gefahren ist. Für mich geht es jetzt nur noch die viereinhalb Kilometer zum Wohnmobil und ab ins Bett. Ein schöner Tag geht zu Ende. 

Ivos 300er ist eine traumhaft schöne Tour mit ca. 2.700 Höhenmetern, die sich hauptsächlich auf den ca. 100 km von Hamoir nach Rochefort häufen. Darin ist noch ein 16 km langes Flachstück enthalten, also geht der Rest richtig gut zur Sache. Es gibt noch ein paar Kleinigkeiten, die optimiert werden müssen. Die Probleme beim Streckenplan kommen daher, daß zwei ursprünglich selbständige Teilpläne zusammengeflickt worden waren. Ivo hatte die Strecke verletzungsbedingt nicht mehr abfahren können. Das Stück auf der N684 ist offenbar auch von anderen Teilnehmern beanstandet worden, jedenfalls hatte Ivo im Kopf schon eine Alternative fertig: ab Huy soll das letzte Stück verkürzt und auf ruhigen Strassen nach Maastricht geführt werden. Dafür kann das zentrale Stück bis nach Bastogne verlängert und dort eine weitere Kontrolle eingeplant werden. Eine Umfahrung von Lüttich ist auch angedacht. 

Maastricht - Bastogne - Maastricht! Habe ich da die Geburt eines Klassikers miterlebt?
 

Manfred Kiesel

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