RTF, Radmarathon, Pässe und mehr

Radmarathon Champagny (F) Les Trois Ballon
 

Tourname: Radmarathon Les Trois Ballons
          
Verein:
VerfasserIn: Manfred Kiesel
Datum: 2007
Startort: Champagney (F)
Tourlänge: 212 km
Höhenmeter in M: 4000 Meter

 

Freitag - eine Anreise versinkt im Chaos 

Ob ich mir nicht doch ein Navi fürs Auto hole? Der Online-Routenplaner heisst mich hinter Belfort auf die D19 abbiegen, Richtung ... eben wie der nächste Ort heisst, den er sich vorstellt. JETZT weiß ich, daß sieser Abzweig noch in der Stadt ist , und diesen Ort natürlich nicht anzeigt. Nach vielem Fragen und einem kleinen Umweg sind wir (Frau und Hund und ich) dann gegen neun vor Ort. Schilder "Zum Start" gibt es natürlich nicht, aber auf einem freien Platz in der Ortsmitte finde ich ihn. Dort ist die Anmeldung schon geschlossen.

Ein Offizieller, den ich frage, wo man nach der Fahrt duschen kann, nennt mir das Stadion (was richtig ist) und zeigt mir die Richtung (die völlig falsch ist). Also wieder fragen, umdrehen, dann stehe ich am örtlichen Sportplatz, nebenan die Schule, das müsste passen. Außer uns ist niemand hier. 

Samstag - Tag des Kletterns 

Die Anmeldung klappt reibungslos. Ich packe mich in den ersten Startblock und bin bereits rundum eingebaut, als ein Ansager verkündet, welche Startnummern in welchen Block gehören. Demnach müsste ich in Block zwei sein - nun, das soll jetzt egal sein. Es wird viiiiiiel geredet. Da ich abends noch den Transfer nach Riegelsberg-Walpershofen erledigen will, wäre ich gern früher losgefahren. Die Zeit, die jetzt unnütz vergeudet wird, wird mir nachher fehlen. Dann wird endlich gestartet. Es dürfte etwa halb acht sein. Links und rechts von mir fahren die Teilnehmer vorbei, bis ich eine kleine Lücke nutzen kann, um nach rechts zu scheren. Auf den ersten zehn km geht es durch die Orte Plancher-Bas, Le Mont und Plancher-Les Mines, wobei die Straße ganz allmächlich leicht zu steigen beginnt.

Die ganze Zeit rauschen die Teilnehmer an mir vorbei, so daß mich fast jeder dort, bewußt oder nicht, gesehen haben muß. Ein Paar in blauen Trikots vom TV Kettwig grüßt mich in schneller Vorbeifahrt und sind schon wieder verschwunden, es sind wohl Katja und Peter, viel Glück. Den Gesundheitssportler habe ich nicht erkannt. 

Am Ortsende von Plancher-Les Mines beginnt der Anstieg. Der Weg teilt sich, die Ausschilderung (Pfeile auf der Straße aufgemalt bzw. an manchen Stellen große Richtungspfeile, an einigen Stellen sogar Helfer, die in die richtige Richtung winken und den Autoverkehr aufhalten) weisen in beide Richtungen. Rechts geht es zur Planche des Belles Filles, und es ist klar, daß jetzt erst einmal nach links gefahren wird. Was die Meute auch tut.

Ich befinde mich nun zwischen einzelnen Teilnehmern des ganz hinteren Feldes. Wir werden für den richtigen Anzweig belohnt mit einer Tafel "Sommet à 10 km". Die schmale Straße steigt mit schätzungsweise 8% immer durch den Wald auf den Ballon de Servance, dessen Passhöhe in 1200 m nach 23 km erreicht ist. ich überhole sogar einen Fahrer!! der hab aber wohl auf einen Kumpel gewartet (der eine Stange Wasser in den Wald gestellt hat?), und beide passieren mich wieder. Dennoch befinden sich immer Fahrer um mich herum, das wird sich auch bis zum Abend nicht ändern. 

Die Abfahrt ist schmal und kurvig und zieht sich bis nach Thillot, wo die 104 km abzweigen und an einer Ampel ein kleines Verkehrschaos herrscht. Bald ist der Ort aber verlassen und man kann wieder frei fahren. Es geht kurz leicht aufwärts, und ein Schild zeigt an, daß hier, fast unbemerkt, der Col du Menil mit 621 m überfahren wird.

Nun geht es ebenso leicht wieder abwärts und nach dem Ort Ventron beginnt der Aufstieg auf den Col d'Oderen. Auch hier sind wieder die Kilometertafeln aufgestellt. Vier km sind es bis oben, weniger steil als der Servance und mit einem schönen Rhythmus zu fahren. Oben auf 884 m gibt es Wasser, das jetzt auch notwendig ist. Dazu werden Trockenfrüchte (Aprikosen und Plaumen) gereicht. 

Eine rassige schnelle Abfahrt führt nach Kruth, wo es prompt wieder leicht zu steigen beginnt. Ab Wildenstein geht dann die Kletterei auf den Col de Bramont (956 m) los, mit den üblichen Tafeln im km-Abstand. Auch dieser Anstieg hat einen schönen Rhythmus und ist nicht zu steil. Die Abfahrt ist nur kurz, und es geht hoch auf einen namenlosen Col.

Irgendwo im endlosen Anstieg fällt einem Fahrer in meiner Umgebung fast das Gebiss heraus angesichts einer plötzlichen Tafel "Sommet à 20 km". Allerdings kommt die Kletterei alsbald aus dem Wald heraus und erreicht eine offene wellige Hochfläche. Wir sind auf der Route des Cretes. Der Blick reicht weit über Berge und tief in Täler - bzw. er könnte es, doch hier sind die Vogesen heute wolkenverhangen. Es geht auch ein kräftiger Schauer auf uns nieder. Zwischen 1100 und 1200 m über n.n. steigt und fällt die Straße auf und ab. Die letzten eineinhalb km geht es dann noch einmal richtig hoch zur Passhöhe auf dem Grand Ballon. Das ist der Sommet, der 20 km zuvor angekündigt worden war. 

Bis hier sind 100 km gefahren und bereits über 2000 hm überwunden. Auf dem Pass gibt es Verpflegung. Es herrscht Betrieb, alle Möglichkeiten, ein Rad anzulehnen, sind belegt. So bringe ich meines in eine stabile Seitenlage. Minuten später will ich im Nieselregen losfahren - aber der Computer hat mir nichts mehr zu sagen. Die Seitenlage und der Regen haben ihn blind für die Reize des Radmagneten gemacht. So begebe ich mich mit Tempo null in die lange, lange Abfahrt, die erst knapp 1000 m tiefer an der Thur endet.

Die nächste Erhebung ist der Col de Hunsdruck (der mit dem Hunsrück nicht verwandt oder verschwägert ist), es geht "nur" auf 748 m und auch er ist nicht bösartig. Die Abfahrt führt nach Maseveaux und nun folgt etwas bisher Einzigartiges auf dieser RTF: eine Flachstrecke, etwa 10 km lang, zur Verpflegung in Sewen. Ich tue mich mit einem Fahrer zusammen, der ein angenehmes Tempo fährt, und gemeinsam erreichen wir die Verpflegung in Sewen bei km 142. 

Es gibt Brot und verschiedene Sorten Obst sowie Wasser, und einen merkwürdigen Sirup zum Verdünnen. Hier steigt die Straße wieder an. Am Sewener See beginnt der lange Anstieg zum Ballon d'Alsace, der sich imposant vor uns erhebt. Im unteren Teil verlaufen Serpentinen, die teils auf gemauerten Terrassen verlaufen.

Der Pass ist "nur" auf 1200 m, aber anders als beim Grand Ballon muß ich wieder von ganz unten anfangen. Kilometer um Kilometer schraube ich mich hoch und ignoriere die Tafeln, die wieder einmal die Rest-km androhen. Und nun überhole ich vereinzelt Fahrer. Und das sind jetzt nicht solche, die auf jemanden warten. Dem einen oder anderen schwinden bereits hier die Kräfte. Es ist der letzte große Pass vor dem Schlussanstieg. 

Auf der Passhöhe sagt ein Schild "Giromagny 14 km". Erst später sollte mir auffallen, daß im Roadbook bis dorthin 6,5 km angegeben sind. Die Abfahrt geht erneut in eine Flachstrecke über. Ich will mich an eine kleine Gruppe hängen, aber gleich darauf überholt ein anderer Zug und "meiner" hängt sich an die neue Gruppe. Das wird mir nun zu schnell und zu hektisch, also lasse ich sie fahren. Es zieht sich jetzt wie Kaugummi.

Mein Computer, der erst in den ersten Serpentinen des Ballon das Wasser aus den Ohren geschüttelt hat und seitdem wieder arbeitet, kann mir nicht sagen, wieviel km es bis hierher insgesamt sind. Ich stelle nur fest, daß das Stück vom Ballon bis nach Champagney länger ist als angegeben. Auch mit der Flachstrecke ist es nun vorbei, es geht in bewaldete Hügel mit ständigem Auf und ab. Erst nach endlosem Klettern und wieder Abfahren auf schmalsten Wegen und viel später als ich gerechnet hätte komme ich bei der Verpflegung in Champagney an. Sie ist in Sichtweite der Stelle, von wo ich in der Frühe gestartet bin. Von hier geht es zum Ziel in 1148 m Höhe, laut Roadbook 21 km zu fahren, und dann natürlich wieder zurück hierher und zum Wohnmobil. 

Es ist viertel vor fünf. Ich überlege ernsthaft, ob ich hinüberfahre, den Chip abgebe und mein Pfand kassiere. Dann hätte ich noch 800 Meter zum Auto zu fahren. Ich hätte eine faire Chance, vor Dunkelwerden in Walpershofen anzukommen und lange genug zu schlafen vor dem morgigen Start. Das Ganze ist eine Heimatfalle der übelsten Art. 

Als ich aus Champagney herausrolle, kommen mir einer nach dem anderen Fahrer entgegen, die offensichtlich schon auf der Planche waren. Also fahre ich dasselbe Teilstück wie schon heute früh bis zur Gabelung hinter Plancher-Les Mines. Ich habe es nicht über mich gebracht, abzubrechen, und das auch noch ohne Not, nur um Zeit für morgen zu sparen.

Der korrekte Abschluß dieser Fahrt ist nun mal die Planche des Belles Filles, dort muß ich mit dem Chip über die Matte fahren, sonst bin ich nicht registriert. Und es hätte mich beständig verfolgt, nur den Abzweig gesehen zu haben, mit dem Hinweis "Sackgasse 5,? km", und nicht hinaufgefahren zu sein, wie es sich gehört. Nur ist die Atmosphäre jetzt ganz anders als in der Frühe, als das komplette Feld hier fuhr. Vor und hinter mir einzelne Fahrer, und andere sowie ganze Gruppen in Gegenrichtung. 

Und dann bin ich wieder an der Stelle. Hier fuhr ich am Morgen links, auf den Ballon de Servance. Jetzt geht es nach rechts. Die Höhe ist fast dieselbe, die Distanz sehr viel kürzer. Ich schaue eine Rampe hinauf. Ich sehe Fahrer mit dieser Rampe kämpfen, einige in Zeitlupe in grotesken Turnübungen auf dem Rad, andere schiebend. Für jeden Kilometer ist die durchschnittliche Steigung (nicht der Maximalwert!) auf einer Tafel angegeben.

Es werden, mit Ausnahme des letzten Kilometers, jedesmal zweistellige Zahlen sein. Mal im Wiegetritt, mal im Sitzen gehe ich dieses Ding an. Hier überholt mich keiner. Die, die mich hätten überholen können, kommen mir längst abfahrend entgegen oder sind schon bei ihren Fahrzeugen angekommen. Überall zwischen Champagney und Plancher stehen Teilnehmerfahrzeuge geparkt. Niemand ausser mir hat den Platz am Sportplatz, wo es eine Dusche gibt, ausgewählt. 

In diesem Anstieg habe ich zu viel mit mir selbst zu tun, ich kann nicht wirklich genießen, daß ich praktisch alle anderen überhole, obwohl ich selbst sehr langsam unterwegs bin. Auf jedem Kilometer gibt es ein kurzes Stück, 100 Meter oder 150, auf dem die Steigung unter 10% fällt. Hier kann ich ein Stück im Sitzen fahren und mich erholen, soweit von Erholung die Rede sein kann.

Es ist schwülwarm, und wer schon einmal zwischen Moos und der Verpflegung Speck-Michel aus dem Passeiertal Richtung Timmelsjoch gefahren ist, hat eine ungefähre Vorstellung. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich hier hochgekrochen bin. Dann der letzte km, "leicht", nur 7,6% im Schnitt. Und zwar deshalb, weil er zwischendrin ein Flachstück, mit echten null %, hat. Noch eine kleine Rampe, durch eine Art Torbogen über die Matte, wo mein Chip registriert wird. Es ist 17:57 Uhr. Ich habe fertig. 

Hier oben auf dem Parkplatz herrscht Jahrmarktstreiben. An einem Stand gebe ich meinen Chip ab. Leider muß ich auf den Ausdruck eines "Diploma" verzichten - wie sollte ich es transportieren? Ich bekomme ein "Nudelgericht" (für den hohlen Zahn) und einen kleinen Salatteller, dann stürze ich mich, ohne die vielen Verkaufsbuden zu beachten, in die rasante Abfahrt. Nicht weit danach werde ich aufgehalten: ein Auto, eine Gruppe langsame Abfahrer und davor ein einheimisches Wohnmobil in Abwärtsbewegung. Die beiden ersten können mich nicht aufhalten, aber hinter dem Wohndampfer hänge ich lange. Bemerkenswert, wie breit so ein Ding ist, und dann ist da ständiger Gegenverkehr auf oder mit Fahrrädern. Erst kurz vor der Einmündung kann ich in einer beherzten Aktion an der Dschunke vorbeistechen. 

Der Rest geht "tendentiell abwärts" bzw. zum Schluß flach. Auch jetzt kommen mir noch Teilnehmer entgegen. In Le Mort kämpft sich der Letzte verbissen in Richtung Planche, dahinter ein Auto mit Blinklicht. Der Schlußwagen? In Plancher-Bas sitzt eine Dame, die zum Veranstalter gehört, wie ein Posten auf einem Stuhl am Straßenrand. Soll sie Nachzügler zurückweisen? Noch im Ort kommt mir ein weiterer Fahrer entgegen. Ist er noch hinaufgefahren? Fragen über Fragen. 

Ab hier sehe ich nur noch Fahrer, die sich an ihren Fahrzeugen aufhalten. Noch ehe ich an meinem bin, halte ich am Duschgebäude beim Fußballfeld, in Sichtweite meines Wohnwagens. Hier will ein Helfer gerade den Platz räumen, ich habe Glück, daß ich ihn antreffe, und kann noch duschen. Von meiner Frau erfahre ich dann, daß zuvor genau drei Leute hier geduscht haben. Ich nehme mir noch die Zeit, mich zu dehnen. Angesichts des morgigen Tages ist das unverzichtbar. Um viertel nach sieben verlasse ich Champagney. 

FAZIT, das muß man einmal erlebt haben. An zwei Stellen gibt es etwas lästigen Verkehr, ansonsten verkehrsarme Straßen in schöner Landschaft. Die Tour ist anspruchsvoll und verläuft in einem Mittelgebirge der gehobenen Kategorie, ausgeschrieben sind 4300 Höhenmeter. Nichts für Flachlandtiroler. Das Finale ist ein richtiger Beisser. Die Ausschilderung (besser gesagt, Wegweisung) ist aufwendig gestaltet, Abzweige sind deutlich mit mehreren Schildern und teilweise menschlicher Unterstützung gestaltet. Die Verpflegung ist in Ordnung. Verbesserungspotential gibt es bei Hinweisen zur Infrastruktur: Anfahrtskizze, Ausschilderung zum Start bzw. zu den Duschen. Davon mal abgesehen (beim zweiten Mal kennt man sich aus): sehr empfehlenswert.

 

Manfred Kiesel

 


Größere Kartenansicht

Drucken

Inhalte, Konzept und Umsetzung: Hermann Dirr, Templates: intwerb.de